2021 Vorhang auf! – Nachbericht

Mit einer Krimikomödie und einem komödiantischen Einakter startete die Laienspieler nach rund zwei Jahren Pause wieder ihren Spielbetrieb. Zur Aufführung kamen »6,6 Morde pro Stunde« von Andrea Freitag und »Feine Gesellschaft« aus der Feder von Claudia Kumpe.

Die Mordserie brachten die »Jula« auf die Bühne, die reiferen Amateurmimen reihten sich in die »Feine Gesellschaft« ein. Das Publikum war begeistert. »Man musste gar nicht fragen!«, erklärte Tina Wegmann, eines der schauspielerischen Urgesteine der Laienspielgruppe Langenbach. »Die Leute kamen von selber!«. Alle wollten nur eines: Spielen!

Im Herbst 2019 hatte man mit »Pension Schöller« einen gigantischen Erfolg, im Jahr 2020 hätte das 35-jährige Bestehen der Langenbacher Amateurmimen mit einem Festjahr und zahlreichen Veranstaltungen gefeiert werden sollen – die Corona-Pandemie hat alle Planungen zunichte gemacht. Jetzt aber hieß es endlich wieder »Vorhang auf«, wenn auch mit stark eingeschränktem Platzangebot, der geltenden Abstands- und Hygieneregeln wegen. Der Spielfreude der Laienspielgruppe aber tat dies keinen Abbruch, das Publikum wurde in beiden Stücken bis kurz vor Ende erfolgreich sozusagen »an der Nase herum geführt.«

In der Krimikomödie »6,6 Morde pro Stunde« treffen sich sechs Personen, die miteinander scheinbar nichts zu tun haben, in einer Villa, in der schon Spinnweben die Wände »zieren«. Da ist die Handysüchtige, aufdringliche Krimibloggerin Agatha Ford in Person von Franka Felsl – eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei wäre ihr Traum. In den »Tatort Wohnzimmer«, der die gesamte Bühne einnimmt, stolpert auch Katharina Pietsen (Lilli Baum), eine stotternde Versicherungsvertreterin, bei der man sich gegen alles versichern kann… Dann stolpert mit Gepolter ein hochgewachsener Rocker (Jonathan Eppler) ins Zimmer. Ungehobelt und offensichtlich alles andere als ein Feminist, sorgt er sich nur um sein Motorrad mit dem Namen »Betsy«, die »schwerverletzt da draußen mit Lungen-, sprich Vergaserschaden liegt.« Zu dem seltsamen Trio stößt noch Baroness Melrose Winterbloom, »die Blume von Hollywood«, Sängerin, Schauspielerin, Autorin und Geschäftsfrau (Eva Stephan) – sehr nobel. In ihrem Schlepptau ist ihr Butler James (Fabian Mühlich), ein kräftiges Mannsbild, eher schweigsam und ausschließlich auf die Baronesse fixiert. Man wartet auf den Hausherrn, der angeblich zu einer Party eingeladen hatte, aber der Gastgeber erscheint nicht.

Nur Wallabe, eine schwäbelnde eher tumpe Polizei-Inspektorin, (Michaela Wüst) erscheint – und eröffnet den ungleichen Gästen, dass es keine Party geben werde. Alle seien von der Polizei eingeladen worden – aus einem bestimmten Grund: Sie müsse ein »Verbrechen« aus der »Memorystreet« untersuchen, »das vor vielen Jahren in dieser Stadt begangen wurde. Einfach grauenvoll!« Agatha ist Feuer und Flamme und drängt Wallabe ihre Mitarbeit auf. Die Baronesse ist verschnupft, dass es keine Party gibt, der Rocker veräppelt die Staatsgewalt. Und diese beginnt, scheinbar etwas linkisch und ein wenig nach Colombo-Art, mit den Einzelverhören. Jeder hat offensichtlich etwas auf dem Kerbholz und outet sich mehr oder weniger freiwillig. Da wird festgestellt, dass alle eingesperrt sind, weder der Buttler noch der Rocker bekommen die Türe ins Freie auf, nicht mal mit Dynamit. Auch alle Fenster sind vergittert: Panik bricht aus, man ist von der Außenwelt abgeschnitten. Mit einem Mörder!

Einer der sechs ist der Mörder – oder die Mörderin. Dann fällt zum zweiten Mal das Licht kurz aus. Als es wieder angeht, haben alle eine Waffe gezogen – Pietsen aber, von der Versicherung, ist tot. Mord oder Tod wegen der multiphoben Veranlagung? Herzinfarkt? Aber das Sterben geht weiter: Agatha scheidet aus dem Leben, ein großes Kreuz zertrümmert ihren Schädel. Zwischen der Baronesse und dem Butler, einem Ex-Knacki, der seine Chefin abgöttisch liebt, kommt es zu einer Romeo und Julia-Szene, bei der beide umkommen – eng an das klassische Original angelehnt. Vier Leichen pflastern inzwischen die Bühne im Bürgersaal. Da erkennt der Rocker: die Inspektorin ist die Mörderin! Was Wallabe kaltschnäuzig bestätig: »es gab nie ein Verbrechen, alles war erfunden!« Nie hätte sie behauptet, Polizistin zu sein, die Memorystreet gäbe es gar nicht. Bedroht mit einer Pistole entleibt sich der Rocker selbst, er glaubt zwar Schnaps zu trinken, nimmt aber offensichtlich Gift zu sich. Wallabe glaubt jetzt felsenfest ihr Ziel erreicht zu haben, das »perfekte Verbrechen«. Aber weit gefehlt! Die scheinbar Toten sind vom polnischen Geheimdienst, vom Secret Service, von BND, MI6 und CIA. Alles ist vertreten, was Rang und Namen hat bei den »Schlapphüten.«

Das Publikum braucht eine Schrecksekunde, dann braust Applaus auf, man hört befreiendes Lachen im Saal und anerkennende Pfiffe. Der Gag ist gelungen, die Jula haben überzeugt. Um die Zukunft der Laienspielgruppe Langenbach e.V. muss man sich keine Sorgen machen!

 

»Feine Gesellschaft« war der Titel des Stücks für die theaterspielenden Seniorinnen und Senioren rund um Tina Wegmann und Jakob Zörr, der beiden Regisseure des ersten Stücks nach der langen Spielpause.

Eine feine Gesellschaft – was ist das? Der Duden weist dafür den Begriff »Hautevolee« aus. Claudia Kumpfe, die Autorin des komödiantischen Einakters, sieht darin aber wohl etwas anderes: die »Bussi-Gesellschaft«, eher die möchtegern Feinen! Damen wie Isabella (Gisela Bernbeck), im Bürgersaal die Hausherrin und Gastgeberin, wie Sibylla (Evi Bucksch) und Tina Wegmann, die als Desiree neu in die Gemeinschaft der Busenfreundinnen aufgenommen wurde. Sie stimmen in ihrer Lebenswelt überein, sie sind relativ begütert, sie shoppen leidenschaftlich gerne, finden sich ziemlich toll und schauen auf die arbeitende Bevölkerung gerne herab. Dann ist da noch Kurt-Walter, der Hausherr, Isabellas Mann (Franz Schild). Dessen aktuelle Beschäftigung ist der intime Kontakt zu Sofie, dem attraktiven Hausmädchen (Heidi Burg), was eindeutiges Stöhnen aus dem Off zu Beginn der Komödie schlagend beweist. Zur feinen Gesellschaft gehört als Opa auch Emil Harrant, der in seiner Bühnenrolle kein Frauenverächter ist. Denn Esther, seine Tochter (Susanne Huber) bringt eine Freundin mit, die Aysche (Roswitha Apold), die ihm offenbar sehr gefällt. Mit der Kleidung der beiden aber kann er nichts anfangen – da würde er sich bei seiner Tochter lieber so etwas wünschen wie es die fesche Sophie trägt. Nicht ganz so kurz und ganz so offen – ob der Opa weiß, dass sie gerade von einem Schäferstündchen mit Kurt-Walter kommt? Sein Flachmann hilft ihm aber über so manche Situation hinweg.

Zum festlichen Essen kommt auch Detleff (Martin Braun), Isabellas Bruder, Walters Schwager, der auf der Bühne das vermeintliche Idealbild des homophilen jungen Mannes ist. Sprache, Bewegungen, Bussi, Bussi, eindeutige Neigung hin zu seinem Schwager, aber auch zu Hause in besten Kreisen: er war zuletzt Gast bei Klaus Lagerfeld – und da hat er natürlich etwas zu erzählen, was besonders Isabella und ihre beiden Schickimicki-Freundinnen interessiert: Sie erfahren, dass die »Hauptperson« bei Lagerfelds Party »Choupette« war. Eine Katze, »Iiiiii!«, die Lagerfeld gerne geheiratet hätte, wenn dies möglich gewesen wäre. Der nette Detleff ist allerdings größeren Pressionen ausgesetzt; die schon ältere Nachbarin, Frau Kowalski (Hilde Stockhorst), drängt sich nämlich völlig ungeniert in die feine Gesellschaft: »Ich will ja nicht stören!« Und sie ist total verschossen in den jungen Detleff, den sie dann auf offener Bühne auch niederschmust bis fast zum Äußersten. Esther und Aysche bemerken, dass an der »Aura« von Walter und Sofie etwas nicht stimmt und ziehen die richtigen Schlüsse. Sie »reinigen« den Raum von der schlechten Energie, Aysche zeigt sogar einen fantasievollen »Bauchtanz«, der Opa will am liebsten zu ihr auf den Tisch.

Dann wird es ernst! Kurt-Walter eröffnet der feinen Gesellschaft, dass es Pilzsuppe gibt, bereitet mit seinen ersten selbstgesammelten Pilzen aus dem VHS-Wissen heraus. Der Appetit der Gäste lässt merklich nach. Esther pendelt die Suppe aus und gibt grünes Licht. Und Kurt-Walter erklärt treuherzig, dass er die Pilze am Hund seiner Frau, einem Chihuahua, »getestet« hätte. Der wird zur Demonstration (als Puppe) bellend auf die Bühne gebracht. Jetzt essen alle und sind voll des Lobes. Da stürzt Sophie herein: »der Hund ist tot!« Panik bricht aus, die feine Gesellschaft zeigt nun ihr wahres Gesicht.

Im Angesicht des kommenden Todes brechen die verdeckten Wunden auf: Isabella hat ihren Walter nur des Geldes wegen geheiratet, den Versager im Beruf und im Bett. Der hatte auf lebenslangen feurigen Sex mit seiner Angetrauten gehofft und macht sein Verhältnis mit Sophie nun öffentlich, was ihm Schläge von seiner Frau einbringt. Sybilla outet sich, dass sie ihre Brüste habe vergrößern lassen, Desiree gibt Lifting zu, Isabella hat sich ihren Po anheben lassen. Alles habe viel Geld gekostet – nunmehr für nichts und wieder nichts. Detleff beklagt die vielen aufregenden Männer, »die ich noch nicht ausprobiert habe«, Frau Kowalski will mit ihm »in der Sterbestunde vereint sein.« Es kommt zu Tage, dass Isabella nach wie vor ein Verhältnis mit »dem rassigen Pedro« hat. Man prügelt sich, bis Sophie, die bisher dem Treiben fassungslos zugesehen hat, zwei große Topfdeckel lauthals wie Tschinellen zusammenschlägt und verkündet: »der Hund wurde von einem Auto überfahren…«.

Das Publikum ist baff, aber der Groschen fällt schnell. Dann belohnt kräftiger Applaus die Langenbacher Schauspieler. Die Truppe der erfahrenen Amateurmimen konnte überzeugen, wie auch Judith Summer, Susanne Weber, Irene Vögl, Jan Simon, Fabian Baumann und Josef Feger, die »hinter der Bühne« im Einsatz waren.